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Wer verteidigt Marken online – und warum?

Ein Forschungsteam, unter anderem mit Clemens Ammann, hat kürzlich einen Artikel im angesehenen Journal of Interactive Marketing veröffentlicht. Darin untersuchen sie ein spannendes Phänomen in den sozialen Medien: Konsumierende, die Marken eigenständig gegen Kritik verteidigen. In diesem Blogbeitrag erfahren Sie, was dahinter steckt und wie Unternehmen diese Erkenntnisse gezielt nutzen können.
Dr. Clemens Ammann
Captain
Prof. Dr. Harley Krohmer
Mitgründer und VRP

Vor einiger Zeit hatten wir ein spannendes Gespräch mit einem Marketingmanager von Nestlé. Er erzählte uns, dass Nespresso in seiner Anfangszeit oft von Hardcore-Fans verteidigt wurde, wenn die Marke in Foren attackiert wurde. Damals brauchte Nespresso keine Krisen- oder Social-Media-Manager, weil die Fans die Marke von sich aus verteidigt haben. Diese faszinierende Beobachtung hat uns dazu inspiriert, genauer zu untersuchen: Wer verteidigt eigentlich Marken online und warum?

Ein eindrückliches Beispiel, das das Phänomen verdeutlicht, stammt aus dem Sportbereich: Vor einigen Jahren geriet Nike stark in die Kritik, als der Basketballspieler Zion Williamson von der Duke University während eines Spiels eine Knieverletzung erlitt, nachdem sein Nike-Schuh auseinanderbrach. Während viele Medien negativ berichteten und sich einige Konsumenten über den Vorfall lustig machten, gab es andere, die Nike öffentlich verteidigten. Manche argumentierten, dass bereits kleinste Produktionsfehler bei der Kombination aus hohem Körpergewicht und schnellen Bewegungen im Basketball zu solchen Vorfällen führen könnten. Andere wiederum verteidigten Nike basierend auf ihren positiven Erfahrungen mit der Marke.

Beispiel von Konsumentenmarkenverteidigung.

Haben Sie auch schon einmal eine Marke verteidigt? Wieso? Warum setzen sich Menschen öffentlich Kritik aus und verteidigen eine Marke? Genau diesen Fragen sind wir in unserer Forschung nachgegangen.

Um dieses Phänomen systematisch zu untersuchen, haben wir mehrere Studien durchgeführt. Zunächst führten wir eine umfassende Online-Content-Analyse durch, bei der wir unterschiedliche Verteidigungsstile identifizierten. Dabei zeigte sich, dass Markenverteidiger:innen unterschiedliche Strategien verfolgen, von emotional-intuitiven bis hin zu logisch-rationalen Argumentationen. Intuitive Verteidigungen zeigen sich beispielsweise darin, dass Personen persönliche Erlebnisse oder Emotionen stark hervorheben („Ich liebe diese Marke einfach, sie hat mich nie enttäuscht!“ oder „Ich habe jahrelang nur positive Erfahrungen gemacht, die Kritik ist völlig übertrieben!“). Hingegen nutzen Personen mit einem logisch-rationalen Stil eher Fakten und sachliche Argumente („Dieser Fehler tritt statistisch gesehen sehr selten auf.“ oder „Die Kritik berücksichtigt wichtige technische Details nicht.“). Interessanterweise dominieren die intuitiven und emotionalen Verteidigungsstile deutlich, was auf die hohe Bedeutung persönlicher Erfahrungen und emotionaler Bindungen hinweist.

In einer weiteren Studie mit 570 Markenverteidiger:innen konnten wir dann drei zentrale Motive identifizieren, die Konsumierende antreiben, sich für Marken einzusetzen:

  • Reziproker Altruismus: Konsumierende verteidigen die Marke, weil sie ihr aufgrund guter Erfahrungen dankbar sind und etwas zurückgeben möchten.
  • Gerechtigkeitssinn: Konsumierende schreiten ein, wenn sie die Kritik an einer Marke als ungerecht empfinden und diese korrigieren möchten.
  • Egoismus: Konsumierende nutzen die Verteidigung, um ihre eigene Position zu stärken oder Anerkennung von anderen zu erhalten.

Nicht nur emotional stark verbundene Kund:innen verteidigen Marken. Unsere Ergebnisse zeigen, dass auch Konsumierende mit hoher Zufriedenheit, aber geringerer emotionaler Bindung zu aktiven Markenverteidiger:innen werden können.

Drei Typen von Markenverteidiger:innen

Ausgehend von unseren Ergebnissen konnten wir drei unterschiedliche Typen von Markenverteidiger:innen identifizieren:

  1. Marken-Promoter: Diese Gruppe fühlt sich emotional stark mit der Marke verbunden und handelt vor allem aus altruistischen Motiven. Sie möchten ihre positiven Erfahrungen weitergeben und setzen sich besonders authentisch für die Marke ein.
  2. Gerechtigkeits-Promoter: Diese Konsumierenden verteidigen Marken vorrangig, wenn sie die Kritik als unfair oder ungerecht wahrnehmen. Sie fühlen sich der Marke nicht unbedingt emotional eng verbunden, sind aber häufig zufriedene Kund:innen.
  3. Selbst-Promoter: Diese Gruppe nutzt die Verteidigung der Marke hauptsächlich, um selbst Anerkennung zu gewinnen oder das eigene Image zu stärken. Sie setzen häufig konfrontative Strategien ein, etwa indem sie Kritiker:innen direkt herausfordern.
Typologie von Markenverteidiger:innen.

Darüber hinaus haben wir auch untersucht, welche Kontextfaktoren Einfluss auf die Markenverteidiger:innen haben. Hierbei zeigten sich einige spannende Ergebnisse: Beispielsweise verteidigen Marken-Promoter die Marke besonders häufig, wenn das Unternehmen selbst nicht auf die Kritik reagiert. Gerechtigkeits-Promoter werden besonders dann aktiv, wenn die Kritik als ungerechtfertigt wahrgenommen wird, etwa bei einer falschen Schuldzuweisung. Selbst-Promoter wiederum zeigen sich häufig unbeeindruckt von der Schwere der Kritik und nutzen diese vielmehr als Gelegenheit, sich öffentlichkeitswirksam zu profilieren.

Implikationen für die Praxis

Für Unternehmen bietet dieses Wissen wertvolle Ansätze, um aktiv mit Markenverteidiger:innen zu arbeiten.

Marken-Promoter: Diese Konsumierenden könnten besonders gut durch emotionale und authentische Kommunikation aktiviert werden. Unternehmen könnten diese Gruppe gezielt durch persönliche Erlebnisse, Influencer-Kooperationen oder Community-Aktivitäten einbinden, um ihre emotionale Bindung weiter zu stärken und ihre altruistischen Motive zu unterstützen.

Gerechtigkeits-Promoter: Diese Gruppe reagiert wohl besonders positiv auf transparente, faire und dialogorientierte Kommunikation. Unternehmen sollten auf Kritik offen und sachlich eingehen, Fairness betonen und Möglichkeiten bieten, aktiv zur Diskussion beizutragen. Plattformen, die einen offenen Dialog ermöglichen, sind hierbei besonders effektiv.

Selbst-Promoter: Diese Konsumierenden suchen Anerkennung und Status. Unternehmen könnten diese Gruppe motivieren, indem sie deren Kommentare öffentlich anerkennen oder durch direkte Interaktion Wertschätzung zeigen, beispielsweise durch Likes oder gezielte persönliche Reaktionen. Auch Gamification-Elemente, wie Verteidigungs-Badges oder Level-ups, könnten sehr wirksam sein, um diese Gruppe zu mobilisieren.

Fazit

Konsumierende, die Marken verteidigen, sind wertvolle Botschafter:innen, die authentisch und glaubwürdig wirken. Unternehmen können dieses Potenzial gezielt fördern, indem sie die unterschiedlichen Motive und Typen der Markenverteidiger:innen besser verstehen und gezielt ansprechen.

Quelle
Ammann, C., Giuffredi-Kähr, A., Nyffenegger, B., Krohmer, H., & Hoyer, W. D. (2025). EXPRESS: Beyond Strong Bonds: a Typology and Motivational Insights into Online Brand Defenders. Journal of Interactive Marketing, 10949968251320615.

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